Page 7 - Im Dialog Ausgabe 37
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Markus Holzapfel, SDMED, mit Dr. Steinweg, Uni Bonn: www.sdmed.de/ expertentalk-medizindidaktik/
       SDMED: Sind anspruchsvollere Studierende aus Ihrer Sicht schwieriger? Oder ist es vielleicht sogar leichter, weil mehr Offenheit da ist?
Dr. Steinweg: „Ich formuliere es positiv: Wir müssen aus der Komfortzone raus. Lernprozesse finden häufig außerhalb der Komfortzone statt. Insbesondere, wenn ich die Studierenden in einen Patientenkontext bringe, fordert uns das. [...] Es ist nicht mehr nur ein Abliefern [der Standard-Veranstaltung von früher], sondern es braucht eine Interaktion, die [von Seiten der Studierenden] eingefordert wird. Dafür muss ich mich bewegen und ich sehe das positiv, weil ich dabei auch unglaub- lich viel lerne. [...] Von daher: Ich sehe es als Challenge. [...] Es eröffnet uns auch viele Möglichkeiten. Zum Beispiel auch im Studium die Leute zusammenzubringen, interdisziplinär und interprofessionell zu unterrichten. Daher haben wir an der Medizinischen Fakultät Bonn viele Lehrprojekte auf den Weg gebracht, wo Lernende verschiedener Gesundheitsprofessionen miteinander lernen.“
Die Versorgung von Patient:innen ist Teamarbeit. Damit die Zusammenarbeit besser gelingt, hält auch sie inzwischen Einzug in der Lehre. Und wenn Lernende unterschiedlicher Professionen wie Pflege, Medizin, Pharmazie und den Er- nährungswissenschaften zusammengebracht werden, dann erfordert dies noch einmal andere Lehrveranstaltungen – mit einem enormen Potenzial für eine patientenorientierte Versorgung.
SDMED: Welchen Einfluss wird das, was die Student:innen jetzt aus der Lehre mitnehmen, auf die Fortbildungswelt dieser zukünftigen Ärzteschaft haben?
Dr. Steinweg: „Eine der Rollen, die wir zukünftig verstärkt aus- bilden wollen, ist die Rolle des Scholars, des Gelehrten oder der Gelehrten. [...] Diese Rolle beinhaltet neben dem wissenschaft- lichen Arbeiten auch das Lernen und das Lehren. [...] Thema für Ärzt:innen ist das lebenslange Lernen und dafür müssen wir im Studium die Grundsteine legen. [...] Wir motivieren durch eine gute Lehre und fördern auch die Bereitschaft, sich lebenslang fortzubilden, [...] und wenn wir das gut machen, dann haben wir
am Ende Ärztinnen und Ärzte, die eine Bereitschaft, aber auch einen Anspruch haben und gute Lehre einfordern und sagen: ‚Sorry, aber bestimmte Fortbildungen, bei denen einfach der Trichter in meinen Kopf gesteckt wird und dann wird Theorie reingeschüttet, lehne ich ab.‘“
Kurzum: Herr Dr. Steinweg geht davon aus, dass die kom- mende Generation von Mediziner:innen kritischer sein wird, was Lehrformate angeht. Die Grundsteine für das lebens- lange Lernen und Lehren (sei es an der Hochschule, in in- terdisziplinären Teams oder in Klinik oder Praxis) werden inzwischen im Studium adressiert. Noch dazu erfahren die Studierenden aktuell, was methodisch in der Lehre möglich ist. Eine interaktionslose „Frontalnummer“, aus der sie nichts mitnehmen, werden diese Mediziner:innen kaum akzeptieren. Eine anwendungsbezogene, interaktive, fallbasierte und zur Zielgruppe passende Aufarbeitung der Inhalte findet der Medizindidaktiker entscheidend und prophezeit, dass weniger in Zukunft nicht mehr geht.
SDMED: Virtuell, in Präsenz oder hybrid? Wir bekommen sehr unterschiedliche Meinungen gespiegelt. Wie sieht es bei den Student:innen aus?
Dr. Steinweg: „So erlebe ich das auch bei den Studierenden. Dass es Sinn macht, wo es angebracht ist, digitale Formate bei- zubehalten oder sie als Ergänzung zu der Präsenzlehre vor Ort zu nutzen. Auf der anderen Seite aber auch, da wo es wichtig ist, in Präsenz zusammenzukommen und das dann auch wirklich zu machen. Darum haben wir einen Mix. Und wir merken, seit
Expertentalk Medizindidaktik
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