Page 14 - Im Dialog Ausgabe 37
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Kolumne
     Welche Insel schwebt denn da?
Tach! Janßen mein Name. Ich weiß nicht, wie Ihr Studium gelaufen ist, aber in der Biologie sah es so aus: Zu Beginn waren wir bemüht, alles zu lernen. Dann etablierte sich das Prinzip „Mut zur Lücke“. Je mehr Wissen, desto größer wurden die Lücken. Aus einer leicht löchrigen Wissensebe- ne wurde langsam eine Landschaft von Wissensinseln, die aus bodenloser Leere herausragten.
Was ich erst sehr spät verstand: Das war keine Studentenmentalität, sondern durch die schiere Menge nicht anders möglich. Und vielleicht nicht einmal anders gedacht, denn in Naturwissenschaften wird man eh darauf gedrillt, in Zusammenhängen zu denken.
Eigene Ergebnisse müssen in den Kontext bestehenden Wissens integriert, Wider- sprüche hinterfragt und neue Hypothe- sen und Synthesen entwickelt werden. Statt also Energie in das verzweifelte (und aussichtslose) Auffüllen der Lücken zu ver- schwenden, hätte ich die Inseln von Beginn an kartographieren und vernetzen sollen.
Dadurch entsteht ein Wissensnetz. Teils aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Und inmitten der Vernetzungen entstehen neue Inseln an den Knotenpunkten – nicht aus gelernten Fakten, sondern durch In- terpolation und Logik. Mehr oder weniger universelle Prinzipien werden erkennbar, die es dann noch leichter machen, neues Wissen einzuordnen und zu integrieren. Wenn man Lernenden von Beginn an hel- fen würde, eine Karte anzulegen, neue Wissensinseln korrekt zu verorten und erste Quervernetzungen zu anderen Inseln zu schaffen, wäre das nicht eine Idee?
Wissen würde dadurch lebendiger, bliebe wohl auch länger in Erinnerung und ließe sich durch die Logik der Knotenpunkte reaktivieren. n
Dr. Simone Janßen
Wissenschafts- und Medizin- redakteurin, freiberuflich tätig für die SDMED
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