Page 8 - Im Dialog
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KOMMENTAR
GESUNDHEITSPOLITIK
Kaum ein anderer Minister hat die Situation für Veränderungen so konsequent genutzt wie Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe
„In Bezug auf ideologische Ketten beweist sich Hermann Gröhe als ein wahrer Sprengmeister. “
Erfolgreich wie kein anderer Bundesgesundheitsminister vor ihm hat Hermann Gröhe bereits bis heute das Gesundheitssystem mit neuen Gesetzen und Verordnungen geradezu ge utet; einige sprechen gar von einem „Gesetze-Tsunami“. Dr. Erich Schröder, gesundheitspo- litischer Experte, kommentiert die Arbeit und den Status Quo unter Gesundheitsminister Gröhe.
Erfolgreich ist der im Rhein- Kreis Neuss ansässige Gesundheits- minister Herrmann Gröhe nicht nur in der Menge der Gesetze, die er erlassen hat, sondern auch gemes- sen an der Koalitionsvereinbarung, deren Ansprüche bereits nach der ersten Hälfte der Legislaturperi- ode nahezu abgearbeitet waren. Ob die Koalitionskompromisse nun das Maß aller Dinge für die Weiter- entwicklung des Gesundheitssys- tems sind, sei einmal dahingestellt. Der Minister, der zu Beginn seiner Amtszeit freimütig bekannte, sich im Gesundheitswesen nicht gerade besonders gut auszukennen, gilt schon lange als kompetenter Ken- ner des Systems und zeigt darüber hinaus großes politisches Geschick und Durchsetzungsvermögen.
Die Liste seiner Gesetze und Ver- ordnungen würde diesen Rahmen bei Weitem sprengen. Folgende Milestones seien erwähnt:
• Das GKV-Versorgungsstärkungs- gesetz – GKV-VSG fördert die Nie- derlassung in ländlichen Regionen, die Allgemeinmedizin, das Recht auf eine Zweitmeinung, die Arz- neimittelverordnung in der Klinik und gründet den Innovationsfonds und die umstrittenen Terminser- vicestellen.
• Das Präventionsgesetz, an dem Ulla Schmidt und ihre Nachfolger gescheitert waren.
• Das Krankenhaus-Strukturgesetz legt den Fokus auf Qualität.
• Das eHealth-Gesetz soll den Rück- stand zu internationalen Standards der digitalen Kommunikation auf- holen.
• Das Hospiz- und Palliativgesetz war ebenfalls längst überfällig, ebenso die beiden P egestärkungs- gesetze.
Andere Gesetze aus dieser Legis- laturperiode sind eher kritisch zu sehen:
• Das Anti-Korruptionsgesetz für das Gesundheitswesen bedient zwar langjährige Forderungen der SPD und der gesetzlichen Kranken- kassen, könnte aber auch dringend notwendige Vernetzungen und Ko- operationen im Gesundheitswesen unter Strafandrohung stellen und somit verhindern.
• Der Entwurf des Arzneimittel- Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG), als Weiterentwicklung des AMNOG präsentiert, erschwert zusätzlich die Markteinführung innovativer Arzneimittel und ig- noriert dabei das zunehmende Ri- siko, dass solche Arzneimittel den deutschen Markt in Zukunft nicht mehr erreichen. Die Ergebnisse des vorher groß inszenierten Pharma- Dialogs blieben dabei außen vor.
• Dem aktuellen Urteil des EuGH, das DocMorris Rabatte auf ver- schreibungsp ichtige Arzneimit- tel erlaubt, will Gröhe ein Gesetz entgegenstellen, das den Versand- handel dieser Medikamente ganz verbietet. Dieser Ansatz ist zwar populär, könnte sich aber langfris- tig als Rohrkrepierer erweisen, der letztlich den betroffenen Apothe- ken mehr schadet als nutzt.
Diese Vielfalt der Maßnahmen zeigt, dass hier nicht die ideologi- sche Scheuklappe, sondern Prag- matismus Gröhes Politik bestimmt. In Bezug auf ideologische Ketten beweist sich Hermann Gröhe als ein wahrer Sprengmeister. Alles was einigermaßen vernünftig erscheint, wird erst einmal konsequent um- gesetzt. Das Motto des Ministers scheint zu lauten:„Lieber zwei Ge- setze zu viel als eines zu wenig.“
Und auch die Sprengkraft dieser zahlreichen, praktisch gleichzeitig einsetzenden Neuregelungen auf das Gesundheitssystem ist wahr-
DR. MED. ERICH SCHRÖDER
Arzt und gesundheitspolitischer Exper-
te mit einem Bürositz in Berlin, Geschäfts- führer der Verlags- und Beratungsgesell- schaft Gesundheitspolitik.de
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